Die Arbeit vor Ort - die Suche nach der Story

Wie genau finden die Korrespondenten eigentlich das Ereignis, auf das sie sich stürzen können, um eine Reportage oder eine Nachricht daraus zu entwickeln? Wie werden sie ihrer verantwortungsvollen Aufgabe als „Brückenbauer“ zwischen uns und dem Ausland gerecht?

Tatsächlich nehmen die ausländischen Journalisten dort, wo sie arbeiten, immer eine Außenseiterrolle ein. Sie orientieren sich an Bekanntem, verbringen Zeit mit den deutschen und europäischen Kollegen und wohnen oft im Diplomatenviertel. Damit leben sie in dieser fremden Umgebung zumeist wie unter einer Glasglocke, von der aus sie mit der Redaktion in Deutschland kommunizieren. Sollen sie sich unter diesem „mitgebrachten Baldachin“ aus vertrauter Heimat und Sicherheit auf ihr Glück verlassen und warten, dass ihnen der Zufall eine gute Story zuspielt? Wohl kaum.

Oft helfen die Redaktionen in Deutschland, die sich beispielsweise auf eine Agenturmeldung berufen und eine Geschichte „bestellen“ und den Korrespondenten so vorgeben, über was sie schreiben sollen. Das Arbeiten „auf Bestellung“ klappt jedoch nicht immer und kein Journalist lässt sich gern alles aus Deutschland vorschreiben. Eine weitere Möglichkeit, Ereignissen auf die Spur zu kommen, sind die örtlichen Zeitungen und einheimischen Fernsehsender, die den Journalisten im Ausland zur Verfügung stehen. Doch diese Medien bieten oft nichts Vielversprechendes und nur allzu oft stößt man auf Sprachbarrieren.

Die genauen Informationen zum Was, also zu einem spannenden oder relevanten Ereignis, liefern im Regelfall einheimische Mitarbeiter, die sogenannten Producer, Stringer oder Fixer. Diese verfügen über ausreichend Ortskenntnis, sprechen die Landessprache und haben meist hilfreiche Kontakte im Berichtsgebiet. Ein Journalist in Südostasien gestand, etwa 70 % des Beitrages kämen nur mit Hilfe dieser „Mädchen für alles“ zustande. Ein Reporter wäre in den meisten Fällen ohne diese Mitarbeiter absolut orientierungslos, würde wie in dichtem Nebel umherirren und könnte damit seiner Arbeit nur äußerst bedingt nachgehen.

 

Doch nicht nur beim Was, auch beim Wo und Wie sind die lokalen Mitarbeiter unverzichtbar. Durch ihre eigene Erfahrung mit kulturellen, sozialen und sprachlichen Eigenheiten der Region bringen sie den Journalisten erst auf den richtigen Weg. Da sich ein Eingereister immer zunächst an heimischen Koordinaten orientiert, würden die Ergebnisse der Recherche ohne direkte Hilfe vor Ort sehr dürftig ausfallen. Insbesondere in den „Entwicklungsländern“ weisen die Lebensrealitäten oft grundlegende Unterschiede zu Europa auf. Viele gewohnte Dinge aus der Heimat sind völlig anders oder fehlen. Meist gibt es kaum Supermärkte, dafür aber tausende kleine Verkaufsstände, die Straßen der Städte sind unübersichtlich, bunt und mitunter gefährlich, weil getrennte Fahrbahnen und Fußwege nicht auszumachen sind. Autos und Roller hupen unaufhörlich, jeder bahnt sich seinen Weg.

Dies sind nur einige auffällige Beispiele, die bei Europäern erst einmal großes Befremden hervorrufen. Andere sind jedoch ohne Vorwissen nicht so schnell erkennbar, wie das Kastenwesen in Indien oder die ethnische Vielfalt in Ostafrika. Diese deuten darauf hin, dass auch interne Strukturen der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft auf komplett andere Art funktionieren. Daher haben die Auslandskorrespondenten selten eine andere Wahl, als auf Producer, Stringer oder Fixer zurückzugreifen. Es wäre ohne sie schlicht zu anstrengend oder – vor allem in Krisengebieten – viel zu gefährlich für einen mehr oder weniger ahnungslosen Reporter.

Viele Einheimische bestreiten ihren Lebensunterhalt mit genau diesen Aufgaben. Schließlich ist hier der Verdienst oft deutlich besser als der eines Taxifahrers, Verkäufers oder Angestellten. Das Geld, das Reporter in das Anheuern von Producern, Fixern oder Stringern investieren, dient ihnen genau genommen als Versicherung dafür, dass die Fragen nach dem Was, Wo und Wie ihrer Story auch beantwortet werden können. Allerdings müssen die Korrespondenten das Gespür für eine passende Geschichte und die Kenntnisse über die deutschen Medien selbst mitbringen, denn dabei können ihnen die einheimischen Mitarbeiter nicht helfen.

Nachdem der größte Teil der Recherche mit Hilfe des Stringers erledigt ist, besteht die Hauptaufgabe der Journalisten dann darin, die Ereignisse aus den fremden Ländern und Kulturen anschaulich zu vermitteln. Dazu tut er das, was nur er kann: so formulieren, dass es die deutschen Leser verstehen, aussortieren, was die Heimatredaktion für unwichtig erklären würde, und schließlich alles zusammenfügen, so dass seine Reportage auch bis zum Abspann über den Bildschirm im deutschen Wohnzimmer flimmert. Auf diesem Gebiet bleibt er Einzelkämpfer.

Die Brückenbauer zwischen Heimat und Ausland

Eine der wichtigsten Aufgaben der Auslandskorrespondenten besteht darin, eine Brücke zwischen dem fremden Land und dem Zuschauer herzustellen. Er soll den Bewohnern seines Heimatlandes Prozesse und Probleme im Ausland verständlich machen. Es steckt eine große Verantwortung darin, Menschen, die meistens selbst keine Erfahrung mit den Gebieten, Gesellschaften und Kulturen besitzen, die Einordnung der Zusammenhänge und Entwicklungen in ihren eigenen Erfahrungshorizont zu ermöglichen. Die Journalisten sollten dabei möglichst neutral bleiben, also weder vorhandene Stereotype noch Negativ-Klischees über das Berichtsgebiet bedienen. Sie sollten auch nicht zum unreflektierten „Anwalt der Geknechteten“ werden, die glauben, sie müssten Elend und Not der Opfer übertreiben, um bei Lesern oder Zuschauern stärkere Reaktionen auszulösen.