Die Ware Nachricht

Meldungen aus „Entwicklungsländern“ werden auf dem Nachrichtenmarkt im Allgemeinen nicht stark nachgefragt. Storys aus Südostasien, aus Lateinamerika, aus dem Kaukasus oder aus Ozeanien sind demnach ein eher unrentables Geschäft für die großen Medienhäuser. Viele von ihnen verzichten deshalb inzwischen auf eigene Korrespondenten in den „Entwicklungsländern“. Die Auslandsberichterstattung muss demnach meistens „gegen den Markt“ platziert werden. Das bedeutet, dass hier nicht strikt nach Quote gegangen wird, sondern eine gewisse Programmvielfalt bewahrt bleiben soll. Unter rein wirtschaftlichen Aspekten gesehen drohen hier Verluste für den Sender oder das Blatt. Auslandsnachrichten haben es allgemein beim Publikum schwerer und sind letztendlich kostspieliger als Soaps, Serien und Schlagersendungen. Hinzu kommt noch, dass Einnahmen durch Werbung bei Nachrichtenformaten sehr gering ausfallen.

Wirtschaftlich betrachtet hat die Auslandsberichterstattung ein Problem: Gut recherchierte Beiträge müssen aufwändig produziert werden und sind somit kostenintensiv. Leider sind sie jedoch meistens keine Garantie für hohe Quoten und Auflagen, die die „Währung der Massenmedien“ darstellen. Sie sind demnach, zumindest finanziell, oft eher ein Risiko für das Medienunternehmen. Das journalistische Besser und das ökonomische Mehr scheinen nicht besonders gut vereinbar zu sein. Der Dauernachrichten-Fernsehsender „Bloomberg News“ aus den USA ist hier eine Ausnahme. Das Unternehmen erzielt hohe Gewinne. Denn vor allem Banken und Finanzdienstleister sind willens, bis zu 1000 Euro pro Monat für die umfassende Berichterstattung zu zahlen. Doch nicht jeder Fernsehzuschauer ist dazu bereit oder in der Lage.

Bei immer weniger Geld für Korrespondentenplätze und immer kleineren Budgets für die noch existierenden Mitarbeiter stellt sich natürlich die Frage, ob eine ausreichende und qualitativ zufriedenstellende Berichterstattung aus den „Entwicklungsländern“ so noch aufrechterhalten werden kann. Daraus ergibt sich, dass entweder die Kosten sinken oder die Anzahl bzw. die Qualität der Beiträge verringert werden müssten.

Fallschirmjournalisten

Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bei Auslandskorrespondenten sind: der sogenannte Fallschirmjournalismus, der sogenannten Bauchladenjournalismus und das us-amerikanische Konzept,des „eingebetteten Journalismus“ (engl. embedded journalism).

Ein Fallschirmspringer steigt in ein Flugzeug und springt über einem bestimmten Gebiet ab, sodass er genau dort landet, wo er sollte. Genauso planbar sind die Einsätze der sogenannten Fallschirmjournalisten. Diese befinden sich zwar an einem festen Ort, können aber mobil und flexibel in der Region eingesetzt werden, aus der es etwas zu berichten gibt. Gerade bei der Berichterstattung aus „Entwicklungsländern“ kann es sein, dass der Korrespondent einen gesamten Kontinent durchqueren muss, um an seine Story zu kommen.

 

So könnte ein Beispiel aus Asien aussehen: Ein beliebiger Korrespondent hat sein Büro im beliebten Stationierungsort Singapur. Eines Tages wird er von seiner Heimatredaktion angerufen. Diese hat über den Nachrichtenagenturticker von einem Ereignis in Nordindien erfahren und möchte die Geschichte gerne für ihre „Seite Drei“ verwerten. Also steigt der Korrespondent in den Flieger nach Delhi und schreibt vor Ort über das neue Luxushotel in Jodhpur, das früher einmal der Palast des Maharadschas gewesen ist.

Der Journalist wird in jedem Fall flexibel dort eingesetzt „wo’s brennt“ und „wenn’s brennt“. Einen solchen „Fallschirmjournalisten“ anstelle von fünf oder sechs Auslandsbüros zu unterhalten, ist selbstverständlich sehr viel billiger. Doch die Berichte werden kürzer und man erfährt weniger über die Hintergründe, weil die Korrespondenten kaum Bezug zu dem Ort und den dortigen Menschen haben.

 

Ein anderer Punkt, der ebenfalls nicht vernachlässigt werden sollte, ist die enorme Belastung, die mit dieser Art des Journalismus zusammenhängt. Regelmäßig zwischen verschiedenen Ländern, Zeitzonen, Klimazonen, Kulturen und Sprachen über tausende von Kilometern umherzufliegen, ständig umzuschalten und sich neu orientieren zu müssen, das ist selbst für erfahrene Profis eine extreme Anstrengung und mit viel persönlichem Stress verbunden.

Korrespondenten als Unternehmer

Das geschäftliche Ziel eines festangestellten Auslandskorrespondenten ist es, mit möglichst interessanten und gut recherchierten Meldungen die eigenen journalistischen Fähigkeiten zu unterstreichen, damit den eigenen Ruf zu verbessern und sich so ein gutes Gehalt zu sichern. Auch Auslandskorrespondenten, die weit weg von ihren Arbeitgebern sind, müssen sich bemühen, sich irgendwie durch ihre Arbeit zu profilieren, denn auch in ihrem Geschäft zählt: Richtig oder falsch wird am Erfolg eines Berichtes bemessen. Wenn also eine mittelmäßig recherchierte Reportage die Zuschauer vom Hocker reißt, wird das vom Chef honoriert. Der Profitgedanke steht auch in dieser Branche ganz oben. Der Journalist im Ausland ist demnach eine sonderbare Mischung aus Aussteiger und Karrieremensch. Es geht bei aller Unabhängigkeit immer um sein Profil und seinen Ruf, den er bei Kollegen und Redakteuren hat. So weit sein Arbeitsplatz von Deutschland auch weg sein mag, wenn er seinen Ruf verbessern will, gilt es, Eigeninitiative zu zeigen und genügend Storys, Meldungen und Berichte möglichst nah an der Linie der Redaktion zu produzieren. Letztendlich muss der Beitrag „zielgruppengerecht“ sein, um Erfolg zu haben.

 

Freie Journalisten hingegen haben ein anderes Geschäftsmodell. Sie bedienen oft viele Medien gleichzeitig und müssen ein dementsprechend vielseitiges Angebot vorweisen, um ihre Berichte gewinnbringend platzieren zu können. Man spricht hier von „Bauchladen-Korrespondenten“, da sich der Verlag oder Sender von diesem jederzeit einen passenden Beitrag auswählen kann, wie aus einem Bauchladen. Doch auch das Geschäftsmodell der freien Journalisten läuft Gefahr, einem verflachten „Häppchen-Journalismus“ Tür und Tor zu öffnen. Die Möglichkeit der Mehrfachverwertung von Beiträgen nutzen sowohl freie als auch festangestellte Korrespondenten. Oft können die Reisekosten nur gedeckt werden, wenn unterschiedliche Sendungen und Ressorts dieselben Berichte abnehmen.