Redaktion & Korrespondent – Wer bestimmt die Inhalte?

Ein Korrespondent aus Südafrika erklärt, wie wichtig für ihn ein gutes Verhältnis zu seinem Redakteur in Deutschland ist:

„Ich bewege mich meistens in Gegenden, die nicht so gesund sind, und dafür habe ich ein kleines Sicherheitssystem aufgebaut, das über den Redakteur funktioniert. Ich rufe den zwei Mal am Tag zu festgesetzten Zeiten an, und wenn ich mich nicht melde, dann schickt der die Kavallerie.“

Doch ist damit schon alles über die Mitarbeiter der Redaktionen gesagt, in deren Verantwortung es liegt, den Teil der Tageszeitung, die TV-Sendezeit oder das Abendprogramm des Radiosenders zu gestalten? Mit Sicherheit nicht, denn auch die Einhaltung bestimmter Kriterien zur Auswahl von Nachrichten ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Aus diesem Grund nehmen Redakteure den Korrespondenten nur bestimmte Berichte, Reportagen oder Meldungen ab. Und damit es nicht erst zu unnützen journalistischen Produktionen kommt, werden hin und wieder gezielt Meldungen geordert, die für „relevant“ und „publikumswirksam“ gehalten werden.

Die Korrespondenten müssen sich also meistens nach den Wünschen und Vorgaben der Redakteure richten. Doch wie kommen die überhaupt zustande? Im Regelfall orientiert sich der Redakteur in Deutschland an den Tickern der weltweit agierenden Nachrichtenagenturen, wie z. B. dpa, Reuters und AP.

Wenn ein Korrespondent dann losgeschickt wird, um eine Geschichte zu schreiben, die es schon als dpa-Tickermeldung gab, spricht man von „Agentur-Schablone“, da die schon vorhandene Meldung einfach nur reproduziert wird. In vielen deutschen Heimatredaktionen herrscht eine große Agenturgläubigkeit und -abhängigkeit, die bei den Kollegen im Ausland allgemein als kontraproduktiv angesehen wird.

 

Es gibt jedoch auch andere Fälle: In Gebieten wie Südostasien oder Lateinamerika etwa können die wenigen dort stationierten Korrespondenten oft relativ selbstständig ihre Themen suchen. Aufgrund der beruflichen Unabhängigkeit und der freien Reisetätigkeit dieser Journalisten wird dort oft vom Traumjob Auslandskorrespondent gesprochen. Darüber hinaus befinden sie sich abseits des Agenturdrucks und außerhalb der Nachrichtenmaschinerie, in der die Konkurrenz normalerweise hoch ist und ständiger Stress herrscht. Da diese Regionen in Deutschland aber von äußerst geringeren Interesse sind, besteht nun wiederum ein Problem darin, die produzierten Berichte abzusetzen. Der Journalist muss sich schon vorher fragen: Bringe ich das Thema, bringe ich es lang oder kurz und wo platziere ich es?

 

Das Bild vom Korrespondenten als selbstständigen und ungebundenen Weltenbummler kann also nur als Klischee gelten, auch wenn dieser in den „Entwicklungsländern“ bei der Themenauswahl oft große Unabhängigkeit von der Redaktion und den Agenturen genießt. Doch kommt es einmal dazu, dass die Redaktion unbedingt eine bestimmte Story braucht, dann muss auch der entfernteste Kollege bereitstehen. Da Mobilfunk und Internet nahezu weltweit verfügbar sind, wird auch ständige Erreichbarkeit in den meisten Fällen vorausgesetzt. Die Zeitverschiebung zwischen Berlin und Bangkok mag enorm sein, aber zur Not ruft die Redaktion auch mitten in der Nacht an. Manche Mitarbeiter nehmen aus diesem Grund sogar ein Satellitentelefon mit in die Wüste. Prinzipiell ist die Zentrale allgegenwärtig und in irgendeiner Weise wird die Tätigkeit der Journalisten immer von ihren Arbeitgebern beeinflusst.

Redakteure - Die Gatekeeper

Das Beeinflussen von Medienproduktion und der nachfolgende Prozess der Bewertung und Auswahl von Artikeln oder Berichten werden in der Fachsprache als „Gatekeeping“ bezeichnet. Dieses Tor (engl. Gate), das die Nachrichten passieren müssen, um ins Fernsehen oder in die Zeitung zu gelangen, wird in hohem Maße von Redakteuren kontrolliert. Sie sind die „Gatekeeper“ (dt. Torwächter) und halten Stellung an den „Zufahrtsstraßen“ des Nachrichtenstroms. Ein großer Teil der Macht, die Produktion und Veröffentlichung von Nachrichten zu steuern, liegt in ihren Händen. Einige Korrespondenten, die bei Recherche und Produktion von sich aus schon selektiv vorgehen, beklagen ihre zunehmende Ohnmacht in Bezug auf die Nachrichtenauswahl. In den Redaktionen würde zu stark „ausgesiebt“, so ihre Kritik. In „Entwicklungsländern“ weist die journalistische Arbeit zwar größtenteils einen hohen Grad an Freiheit und Selbstbestimmung auf, doch schlägt den Korrespondenten von Seiten der Abnahmeredaktion in Deutschland immer wieder Ablehnung entgegen, so dass interessante Meldungen oder qualitativ hochwertige Berichte selten veröffentlicht werden. Ein Drittel der Journalisten in Afrika sehen dieses Desinteresse als bedeutende Einschränkung ihrer Arbeit an.

 

Desinteresse und fehlende Begeisterung für Themen aus den „Entwicklungsländern“ sind in vielen deutschen Redaktionen vorhanden, weil zuständige Redakteure nur wenig über die betroffenen Weltregionen wissen und erworbene Stereotype nicht aufgeben.

Auslandskorrespondenten haben sich mit vielen Reisen und über lange Zeit Wissen über ihr Gebiet angeeignet. Der Aufwand ist dabei oft enorm. Wenn man bedenkt, dass in Afrika schon mal fast 50 Staaten von nur einem einzigen Korrespondenten „betreut“ werden müssen, wird dieser Aufwand besonders deutlich. Niederlassungen der Presse wurden in der Vergangenheit schon mit Reisebüros verglichen, weil die Organisation der Reisen für die Mitarbeiter eine so große Rolle im Tagesgeschäft spielt.

„Entweder man fliegt, mit welcher Art Flugzeug auch immer, oder man fährt 14 Stunden mit dem Auto durch die Pampa“,

beschreibt ein Korrespondent die Lage. Ein anderer Korrespondent in Afrika äußert sich dazu folgendermaßen:

„Die glauben, ich sitze hier nicht in einem Büro, in der Stadt von so und soviel Einwohnern, sondern ich habe meinen Laptop unterm Baum und neben mir drischt eine Frau Hirse. Insgesamt herrscht in der Redaktion ein sehr unklares Bild.“

So kommt es vor, dass ein Gatekeeper den Korrespondenten z. B. nach Nigeria statt nach Namibia schicken will, weil er die Länder verwechselt. Oder er verlangt von einem Mitarbeiter in Südafrika, „schnell mal nach Windhuk“ zu fahren, wofür der Journalist aber mehrere Tage brauchen würde. Betrachtet man dies, wird klar, was für Frustrationen fehlende Kompetenz seitens der Redaktion auslösen kann.

Eine umfassende und qualitativ hochwertige Berichterstattung mit Sinn und Verstand wäre möglich, doch sinkt das redaktionelle Interesse an „Entwicklungsländern“ automatisch, wenn die Berichte nicht mit den Bildern in den Köpfen der Redakteure übereinstimmen. Die „Dauerkrise“ in „unterentwickelten“ und „unbedeutenden“ Ländern wird so aufgrund von Klischees und falschen Vorstellungen immer wieder neu produziert.