Das Afrikabild in den deutschen Medien

Weiße Flecken - die gibt es nicht mehr! Wirklich nicht? Weiße Flecken wurden auf Landkarten seit dem 19. Jahrhundert eingezeichnet und zeigten an, dass diese Teile der Erde aus europäischer Sicht noch nicht erforscht worden waren. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten europäische Entdecker fast vollständig den afrikanischen Kontinent erkundet. Weiße Flecken waren höchstens noch im Landesinneren von Afrika zu finden. Heute gibt es die weißen Flecken vielleicht nicht mehr in den Landkarten, aber sie lassen sich trotzdem noch finden, z. B. in der Berichterstattung der deutschen Medien über Afrika.

Krieg und Armut in paradiesischer Natur

Es ist nicht so, dass die Massenmedien überhaupt nicht über Afrika berichten. Das von ihnen vermittelte Bild über den „schwarzen Kontinent“ ist eher ziemlich einseitig und stark vereinfacht. Auf der einen Seite wird Afrika als eine exotische Postkartenidylle mit faszinierender Tier- und Pflanzenwelt dargestellt. Auf der anderen Seite wird es als „Katastrophen-Kontinent“ gezeigt, der von Kriegen, Hungersnöten und anderen Unglücken beherrscht wird. Die Berichterstattung wirkt somit verzerrt und sie scheint allein auf Sensation ausgerichtet zu sein.

Wo bleibt die Stimme Afrikas?

Vom Kontinent wird ein düsteres Bild gezeichnet. Ein scheinbar hoffnungsloser Fall der Unterentwicklung und Armut. Dem hilflosen Afrika wird das überlegene Europa bzw. der Westen gegenübergestellt. Karitative Einrichtungen unterstützen diese grundlegende Einstellung häufig durch ihre Spendenaufrufe. So fordern uns auf Plakaten oder in Zeitschriften immer wieder hungrige afrikanische Kinder mit großen, traurigen Augen dazu auf, etwas von unserem Reichtum für die Rettung der Menschen in Afrika zu spenden. Im Gegensatz zu den Schreckensmeldungen vom „Katastrophen-Kontinent“ erhalten wir in den Massenmedien kaum Informationen über die Kultur und das Leben der Menschen. Unser Bild und unser Kenntnisstand von Afrika besteht daher meist nur aus Vorurteilen und Klischees.

 

Dies hängt damit zusammen, dass in den Berichten der Massenmedien über Afrika häufig keine Betroffenen, das heißt afrikanische Bürger, zu Wort kommen. Meist sind es westliche Experten, Politiker oder Militärs, die Ereignisse aus ihrer Sicht kommentieren. Es gibt viele Gründe, warum man sich eher an solche Zeugen hält. So vertraut man Angehörigen der eigenen Kultur mehr und ihnen wird eine größere Kompetenz und Integrität zugesprochen. Das wird dadurch unterstützt, dass das Erklären von fremden Ereignissen und Sachverhalten nur mit Worten und Vergleichen geschehen kann, die uns vertraut sind. Berichtet ein europäischer Reporter von den Wellblechhütten und Baracken, die bei einer Flutkatastrophe in Afrika zerstört worden sind, bedeutet dies, dass er es in unseren Augen verständlich erklärt, aber der afrikanischen Realität wird er damit nicht gerecht. Was für uns manchmal wie armselige Hütten aussieht, sind für viele Afrikaner vollwertige Häuser.

 

Kommunikationsprobleme zwischen den Afrikanern und Europäern erschweren die Berichterstattung noch zusätzlich. Medienverantwortliche nutzen zur Nachrichtenvermittlung eher stereotype Erklärungsmuster und symbolische Bilder als fundierte Analysen. In der Berichterstattung werden standardisierte Sprache und vertraute Bilder genutzt. Dadurch werden beim Zuschauer, Zuhörer oder Leser bestimmte Assoziationen mit Afrika hervorgerufen, die die Schablonen und Klischees in den Köpfen bedienen. Damit wird die Einordnung der neuen Nachricht in persönliche Erfahrungen und gelernte Wissensbestände erleichtert. Es ist die eine Seite, was uns über die Massenmedien als Nachrichten aus dem „schwarzen Kontinent“ erreicht. Die andere Seite ist, wie diese Berichte entstehen. Unter welchen Bedingungen arbeiten die Auslandskorrespondenten? Wie wählen diese die Themen aus, die uns hier in Deutschland dann erreichen? Welchen Einfluss haben die Heimatredaktionen darauf?

Deutsche Auslandskorrespondenten

Zeitungen, Radio- und Fernsehsender schicken Journalisten als sogenannte Auslandskorrespondenten in fremde Länder, damit diese dort für sie berichten. So beschäftigt das ZDF insgesamt 29 Korrespondenten, die aus 19 verschiedenen Auslandsstudios die weltweiten Ereignisse beobachten und verfolgen. Die ARD besitzt 25 Auslandsstudios, in denen 100 Korrespondenten für den Sender berichten. Allerdings verteilen sich diese nicht gleichmäßig auf die verschiedenen Länder der Welt, sondern im Gegenteil sehr unregelmäßig. So berichtet die ARD in Lateinamerika und der Karibik nur aus zwei Studios. Diese beiden, mit Standort in Rio de Janeiro (Brasilien) und Buenos Aires (Argentinien), sind für die Berichterstattung eines gesamten Kontinentszuständig. Auch in „Schwarzafrika“ sind nur zwei Auslandsstudios der ARD zu finden. Aus Nairobi (Kenia) und Johannesburg (Südafrika) berichten die Korrespondenten über Ereignisse und Entwicklungen der 48 verschiedenen Länder, für deren Betreuung sie zuständig sind.

 

Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlicher, warum uns nur so wenige Berichte aus Afrika über die Massenmedien erreichen. Hinzu kommt noch, dass die Korrespondenten zumeist von den Auftraggebern nach Kriterien wie Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität oder Fähigkeit zur politischen Analyse ausgewählt werden. Welche besonderen Kenntnisse sie über eine bestimmte Region oder Kultur besitzen, spielt kaum eine Rolle. Diese kaum spezialisierten Korrespondenten befinden sich, wenn sie nun nach Afrika entsendet werden, auf einem fremden Kontinent. Dort werden sie dann mit einer ihnen kaum bekannten Kultur und Gesellschaft konfrontiert, über die sie aber fortanberichten sollen. Dass diese Fremdheit die Berichterstattung und die Analyse des Gesehenen erschwert und stark beeinflusst, erscheint nur natürlich.

Afrikanische Wirklichkeit in europäischen Augen

Ein weiteres Problem für die Berichterstattung ergibt sich aus Spannungen und Differenzen, die zwischen der Heimatredaktion und dem Auslandskorrespondenten entstehen können. Das, was in dem jeweiligen Land geschieht, muss nicht unbedingt auch die Redaktion und die Menschen zu Hause interessieren. Was der Korrespondent dort erlebt, sieht und letztendlich an seine Redaktion gibt, ist immer sein eigenes, subjektives Bild von der Situation. Ein Ausschnitt aus der Realität, der ihm persönlich als bedeutsam erscheint. Berichtet der Korrespondent allerdings zu häufig von Ereignissen außerhalb des Interesses der Hörer, Leser oder Zuschauer, ist es möglich, dass er in den Verdacht gerät, eine „falsche“ Sichtweise zu haben.

 

Die Heimatredaktion bezieht ihre Informationen, was wichtige Nachrichten aus dem Ausland sein könnten, häufig von den großen Nachrichtenagenturen. Berichten diese nicht darüber, findet das Thema in den Heimatredaktionen häufig auch keinen Platz. Den Redaktionen (in diesem Beispiel im Fernsehen) ist es oft sehr wichtig, dass ihre Korrespondenten von Ereignissen berichten, die auch in den Nachrichtenagenturen gemeldet wurden. Die meisten Korrespondentenberichte werden in den verschiedenen Magazinsendungen ausgestrahlt. Für den Inhalt dieser Sendungen haben häufig sehr junge Redakteure die Verantwortung, die sich noch bewähren müssen. Da sie ungern ein Risiko eingehen möchten, wählen sie nur die Themen aus, die die Nachrichtenagenturen schwarz auf weiß bezeugen. Ist der Bericht des Korrespondenten nicht so spannend wie erwartet, können sich die Redakteure auf die Meldung der Nachrichtenagentur berufen. Ein größeres Problem als ein eher langweiliger Bericht wäre für die Redakteure, ein Agenturthema nicht im Programm gehabt zu haben. Dies ist besonders wichtig, da sich die Vorgesetzten der Redakteure auch an den Agenturmeldungen orientieren.

Zeit für Recherche? – Mangelware

Für die Berichterstattung müssen die Auslandskorrespondenten meist unter Zeitdruck arbeiten. Eine Folge davon kann die Verzerrung von Informationen oder die starke Vereinfachung des Geschehens sein. Den Journalisten bleibt kaum Zeit, die Informationen zu überprüfen. Auch für die Recherche über historische und gesellschaftliche Hintergründe fehlt oft die Zeit. Somit ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Auslandskorrespondenten, die Berichte bzw. Nachrichten je nach Vorgabe der Heimatredaktionen so knapp wie möglich zu fassen. Denn Korrespondenten können zwar so lange Berichte verfassen, wie sie möchten. Am Ende jedoch wird zu Hause entschieden, wie viel und welche Aspekte des Beitrags an die Öffentlichkeit weitergegeben werden.

 

Damit zeigt sich, welchen großen Einfluss die Heimatredaktionen auf das Bild von Afrika haben, das uns über die Massenmedien erreicht, und inwieweit Afrika ein „weißer Fleck“ auf der Landkarte der Berichterstattung bleiben muss.